Karpaltunnel-syndrom operieren? Besser spät als zu früh
Ein Wort, dass bereits die Umgangssprache erreicht hat. Sobald es in der Hand kribbelt, wird man ziemlich schnell auf diesen Begriff treffen – sei es bei Google, im Gespräch mit Bekannten oder beim Arzt. Sehr schnell wird dann u.a. auch eine etwaige Operation zum Thema. Was oftmals zu schnell chirurgisch behandelt wird, lässt sich über konservative Methoden der Physiotherapie sehr häufig teils langfristig beheben. Grund dafür sind die verschiedensten Ursachen für das im wahrsten Sinne nervige Kribbeln der Hand, die es erstmal zu filtern gilt. Zu selten werden in d
er Anamnese die richtigen Fragen gestellt. Der aus unserer Sicht wichtigste Punkt ist das sogenannte Double-Crush-Syndrom ( nicht die Musikband ! ).
Dies beschreibt eine Beeinträchtigung/ Kompression eines Nerven an mehr als einer Stelle in seinem Verlauf, was bedeutet, dass dies auch auf andere Nerven übertragbar ist. Ein weiteres beliebtes Beispiel: „Au backe, ick hab' Ischias“ (dazu später mehr). Stellen Sie sich einen Gartenschlauch vor. Ohne Knoten läuft ordentlich Wasser am Ende raus. Machen Sie einen Knoten in den Schlauch, kommt bereits etwas weniger an, aber immerhin funktioniert das Gießen noch. Mit jedem weiteren Knoten reduziert es sich weiter, bis die Blume leer keinen Tropfen mehr bekommt. Ihre Hand ist die Blume.
Daher möchten wir hier kurz betonen, dass wir nicht gänzlich der Meinung sind, OPs wären unnötig. Wir möchten eher darauf hinweisen, dass ein frühzeitiges konservatives Gegensteuern sehr sinnvoll ist – für den Patient, aber auch nebenbei erwähnt im Sinne der Kosten für Krankenkassen.
Im Bezug auf das Kribbeln der Hand müssen wir besonders belastete Bereiche im Verlauf der Armnerven betrachten. Dazu gilt es einiges in Kurzfassung zur Anatomie zu wissen: Entlang der Halswirbelsäule entspringen verschiedene Nerven. Etwa bis Höhe der Achsel bilden diese Nerven verschiedenste Verbindungen, die man als Netz beschreiben kann, bevor sie dann im Arm ihre eigenen Verläufe habe. Dieses Netz / Geflecht (Plexus) hat, wie auch die seperaten Nerven im Arm, physiologische Engpässe, die am ehesten dazu neigen, Kompression auf die Nerven auszuüben. Dazu zählen besonders der Bereich zwischen den Brustmuskeln und direkt unter dem Schlüsselbein. Diese Bereiche werden durch statische Aktivitäten (bspw. Lenkrad festhalten, PC-Arbeit, uvm.) sehr strapaziert. Ist die Muskulatur dort in dauerhafter Anspannung, bringt das einen Knoten im Schlauch. Dauerhafte Haltungsprobleme durch solche permanenten Verspannungen bilden im Bereich der Bandscheiben einen weiteren Knoten im Schlauch, da sich die Halswirbelsäule anpassen muss. Häufig sieht man im MRT dann, dass die Bandscheibe sich seitlich etwas herausschiebt (Vorwölbung), was allerdings noch nicht den befürchteten Vorfall beschreibt. Im Verlauf des Arms sind weitere Engpässen zu betrachten auf die wir jetzt nicht einzeln eingehen.
Herauszuheben wäre da nur der Karpaltunnel selbst, der auf verschiedenste Arten eine weitere Engstelle bilden kann. Schwere körperliche Arbeit kann zu einer Verspannung der Greifmuskulatur und der sehnigen Handinnenfläche führen. Möglich ist auch ein dezentriertes Handgelenk (Bajonettstellung), was besonders bei Tastaturliebhabern passieren kann. Manchmal kann auch das Aufweichen des Bindegewebes in der Schwangerschaft dazu führen. In Anbetracht dieser Ursachen, wäre das herkömmliche Durchtrennen des Bandes eine trügerische Linderung. Der Nerv bekommt dadurch zwar mehr Platz, jedoch birgt die Narbe eine erneute Möglichkeit einer Engstelle und die Ursache selbst wäre nicht behoben. Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen Patienten davon berichten, nach der OP weiterhin Beschwerden zu haben. Die OP sollte daher aus unserer Sicht das letzte Mittel sein, da die konservativen Mittel auch schnell zeigen, ob eine Linderung möglich ist oder nicht. Natürlich gibt es Fälle, in denen eine OP unausweichlich ist, jedoch kann man diese dann ruhigen Gewissens angehen und von sich behaupten, man habe alles versucht, seinen Körper unversehrt zu halten.